Linde vorm WG-Fenster

Eigenlich kenne ich den Baum dieser Geschichte noch gar nicht so lange. Wir haben uns erst vor ungefähr zwei Jahren kennengelernt, seitdem aber viel Zeit miteinander verbracht. Die Geschichte handelt von einer großen, sehr alten Linde, die in einem Innenhof mitten im 8. Bezirk in Wien wächst. Die Linde steht genau vor dem Fenster meines WG-Zimmers.

Wenn ich morgens aufwache, schaue ich direkt in die Baumkrone des riesigen Baumes und bin gut gelaunt, wenn die Sonne durch die Blätter strahlt und mein Zimmer in ein gold-gelbes Licht taucht.

Wenn ich am Schreibtisch sitze und mich vor lauter Arbeit nicht mehr zurechtfinde, drehe ich mich zum Fenster, schaue in die Blätter des Baumes, atme durch und sammle neue Energie.

Ich liebe das Gefühl, wenn ich abends in mein Bett gekuschelt bin und der Wind durch die Krone der alten Linde rauscht.

Ich darf den Wechsel der Jahreszeiten hautnah mitbekommen, wenn sich im Herbst die Blätter zu färben beginnen und das Licht in meinem Zimmer magisch färbt. Wenn im Winter die Äste kahl sind und ich das störene Platiksackerl sehe, dass sich während eines Sturmes in den Ästen verfangen hat. Wenn im Frühling langsam die ersten grünen Blätter durchbrechen und wenn im Sommer der Baum in stahlendstem und vollstem Grün glänzt.

Manchmal denke ich darüber nach, was die alte Linde sieht, wenn sie in die Fenster der Bewohner blickt. Wie viele verschiedene Menschen schon in unserem Wohnhaus gelebt haben. Wie nehmen andere Bewohner die alte Linde wahr? Ist sie für andere auch so wichtig wie für mich? Ist manchen vielleicht gar nicht bewusst, welches Glück wir mit unserem großen Baum in der Großstadt haben?

Ich bin immer wieder überrascht, wie viel Kraft und Energie ich durch die alte Linde tanken kann und bin sehr dankbar, dass diese vor meinem Fenster wächst. In gewisser Weise werde ich große, alte Linden immer mit meiner wunderschönen Studentenzeit in Wien verbinden.

 

Danke, für diese Baumgeschichte!